In dem Artikel über Spanien in der ‘S.I.’ Nr.10 und im Zusammenhang mit der Heiligen Allianz der bürgerlichen Demokratie, die die Bourgeoisie, die Stalinisten und viele andere herzustellen versuchen, um auf den Franco-Staat irgendeine rationellere Form des entwickelten Kapitalismus folgen zu lassen, machten wir darauf aufmerksam, (S.172), dass “die neuesten Verhandlungen zwischen der CNT und den falangistischen Gewerkschaften derselben Strömung einer Unterwerfung unter die bürgerliche Entwicklung zuzuschreiben sind”. Nachdem ‘Le Monde Libertaire’ vom Juni 1966 tugendhaft den Situationisten vorgeworfen hat, Proudhon zu kritisieren (indem sie unser Zitat über dessen ‘hierarchische Trennung’ der Frauen angibt, aber ohne zu versuchen, es zu widerlegen), rief sie folgendes aus: “Dass man die spanische CNT mit dem Falange-Syndikalismus vermengt - das ist stark! Die S.I. kann unmöglich ignorieren, dass die Gruppe, die mit dem Franco-Regime “verhandelt hat”, nicht die CNT ist und dass die gesamte internationale anarchistische Bewegung sie nachdrücklich missbilligt hat. Ob Böswilligkeit oder Unwissen - in beiden Fällen disqualifiziert sich die S.I…” Dieser seltsam lyrische Ton ist einige Erklärungen wert. Die CNT haben wir selbstverständlich nicht mit der Falange ‘identifiziert’, da wir im Gegenteil diese ungeheure Tatsache als das höchste Beispiel der Entmutigung der Opposition gegen Franco angeführt haben. Keiner kann sich vorstellen, dass wir der gesamten CNT im Exil unterstellten, sie würde eine solche Geste ratifizieren, die eine Verleugnung von all dem bedeuten würde, was das Leben ihrer Mitglieder selbst ausmachte. Unser Artikel betrachtete aber Spanien von innen her und auf einer Entwicklungsstufe, in der die Bürgerkriegsorganisationen bekanntlich nur wenig ins Gewicht fallen und die seit Jahrzehnten verfolgten Überlebenden ihre entmutigte Neigung zu allen möglichen ‘demokratischen Fronten’ beobachten können. Als ‘S.I.’ Nr. 10 beim Drucker war, war durch die Presse gerade der Skandal herausgekommen dank bestimmter Indiskretionen in Falange-Kreisen, die diesen Versuch missbilligten bzw., durch dessen Resultate enttäuscht waren. Wir wussten aber bereits, dass die fromme, als ‘nachdrückliche’ Antwort dargestellte anarchistische Version - einer Handvoll einfach von den Falangisten aufgebrachten Verrätern - falsch war und dass diese Leute leider die Vertreter einer wirklichen Tendenz waren.
Um jetzt auf die ‘Böswilligkeit bzw. das Unwissen’ zu antworten, die uns drei Monate später mit etwas Zynismus von den davon unterrichteten aber verschwiegenen ‘Monde Libertaire’-Leuten aufgebürdet werden, können wir folgende genaue Einzelheiten mitteilen: der Verräter Royano - alias Romero - hat im Namen des ‘inneren’ CNT-Sekretariats mit den höchsten Falange-Behörden verhandelt, nachdem er mit einem gewissen General Alonso Fühlung aufgenommen hatte. Es handelte sich darum, die CNT in eine große, legale ‘demokratische’ Gewerkschaft zu integrieren, der man unter bestimmten Bedingungen das Streikrecht einräumen würde. Royano wurde jeder polizeiliche Schutz gewährt, damit er seine Politik in Spanien und außerhalb Spaniens führen und jede für sein Unternehmen nützliche Person nach Spanien holen konnte. Daraufhin organisierte er einen ‘geheimen’ CNT-Kongress, der selbstverständlich auf die wohl denkbare bürokratische Auslese ausgerichtet war, jedoch aus wirklichen CNT-Militanten bestand, vor dem er seine Politik darlegte. Mit der Ausnahme eines bzw. zweier Delegierter, die sich sofort weigerten, noch mehr zu erfahren, äußerten einige Bedenken, während eine breite Mehrheit Royano zustimmte. Dieser kam also zum CNT-Gesamtkongress - d.h. zum auf eine ‘interkontinentale’ geographische Zone erweiterten Kongress, der vom 10. bis zum 16.August 1965 in Montpellier stattfand. Er hoffte darauf, seine Perspektive von dem Kongress genehmigen zu lassen. Zu diesem Zweck gab er sich heimlich und am Rande des Kongresses der oppositionellen Fraktion gegen das Interkontinentale CNT-Sekretariat zu erkennen. Er enthüllte ihr den ganzen Umfang seiner Umtriebe und legte ihr seine naive Absicht dar, sie vor dem Kongress zu eröffnen. Diese Opponenten - unter ihnen Cipriano Mera, José Peirato und FIJL-Verantwortliche - machten ihm die Ungehörigkeit und die Gefahren klar, die aus seinem Benehmen folgten, und überzeugten ihn, kein Wort über seine ungeheure Tat zu sagen, falls er unbedingt vor dem Kongress erscheinen wollte. Sie ihrerseits hielten sie beflissentlich geheim - einige sollten sie jedoch sechs Monate später mit der Entführung eines spanischen Bischofs in Rom öffentlich denunzieren. Zur Zeit des Kongresses argwöhnte das Interkontinentale CNT-Sekretariat durch die Untersuchung seiner eigenen Emissäre zwar das, was in Spanien im Gange war, es war ihm jedoch nicht gelungen, die betreffenden Personen genau herauszufinden. Was die Opponenten betrifft, verschwiegen sie sie ihm mit Freuden und ließen also einen Mann nach Spanien zurückgehen, von dessen gefährlichen Beziehungen zur Polizei des Regimes sie wussten.
Diese kurze Zusammenfassung genügt, um zu zeigen, wie tief demoralisiert ein großer Teil der spanischen anarchistischen Bewegung war, dem Geschrei der systematisch ehrfurchtsvollen Anarchisten zum Trotz, die sich in anderen Ländern befinden, d.h. also von Leuten, die auf dem revolutionären Gebiet seit einem halben Jahrhundert Abwesende waren. Man sieht auch, auf welche seltsame Weise die ‘Aktivisten’ der spanischen libertären Bewegung den ‘Immobilismus’ der CNT-FAI bekämpfen können, indem sie alle erdenklichen Mittel anwenden. Dieser Immobilismus folgt einerseits aus der vernichtenden Niederlage der Arbeiterrevolution in Spanien und andererseits aus der Weigerung, die gründliche Kritik der Geschichte dieser Niederlage selbst und der damals gewählten Politik durchzuführen (was zum allgemeinen Problem der anarchistischen Ideologie führt). Die S.I. wird keiner leicht verdächtigen, irgendeinen ideologischen Immobilismus verteidigen zu wollen. Um so ungezwungener können wir also sagen, dass wir die um jeden Preis gewünschten, zur ‘Endlösung’ führenden Erneuerungsversuche für noch viel schlimmer halten.