1959 wurden die Situationisten mit dem Amsterdamer Stedelijk-Museum darüber einig, eine allgemeine Kundgebung zu organisieren, die sich gleichzeitig auf die Räume des Museums gestützt hätte und über dessen Rahmen hinausgegangen wäre. Es handelte sich darum, die Zimmer 36 und 37 des Museums in ein Labyrinth zu verwandeln, während in der gleichen Zeit drei Gruppen von Situationisten ein drei Tage langes, systematisches Umherschweifexperiment im Zentrum des Amsterdamer Stadtgebiets durchgeführt hätten. Als konventionelleren Zusatz zu diesen Grundtätigkeiten sollten einige Dokumente ausgestellt werden und je 24 Stunden lang ununterbrochen durch Tonbandgeräte übertragene Konferenzen gehalten werden. Zur Durchführung dieses schließlich zum 30.Mai 1960 festgelegten Plans war die Verstärkung der holländischen Situationisten durch etwa zehn ausländische Genossen notwendig.
Am 5.März billigte W.J.H.B. Sandberg, der Direktor des Stedelijk-Museums, den endgültigen Entwurf, indem er aber plötzlich zwei Bedingungen offenbarte: 1. die Amsterdamer Feuerwehr sollte hinzugezogen werden, um einigen eventuell gefährlichen Labyrinth-Elementen ihre Zustimmung zu geben; 2. ein Teil der zu dieser Konstruktion notwendigen Geldmittel sollte nicht durch das Museum, sondern durch äußere Organe (namentlich durch einen gewissen Prinz Bernhard Fond) bestritten werden, an die sich die S.I. dafür direkt zu wenden hatte. Außer der komischen Seite des 1. Punktes und dem kompromisslerischen Zug des 2. war dasselbe Hindernis erkennbar:
da die Direktion des Stedelijk-Museums sich teilweise unverantwortlich verhielt, würden Dritte in der Lage sein, an unserer Stelle und unwiderruflich zu beurteilen, ob diese oder jene Einzelheit unserer Konstruktion notwendig sei. Und das, obwohl die Art des Unternehmens gerade die Anhäufung von genügend noch nie dagewesenen Verfahren verlangte, um den Sprung in eine neue Art der Manifestation zu erreichen. Da die Arbeit außerdem sofort anfangen sollte und die Einschränkungen in jedem Augenblick bis zum Ende auftauchen konnten, hätte jeder Schritt unter solchen Bedingungen bedeutet, dass wir von vornherein die Fälschungen unseres Projekts unterzeichneten.
Asger Jorn, der selbst eine Ablehnung befürwortete, legte vor der am selben Tag in Amsterdam gehaltenen situationistischen Versammlung, die einen sofortigen Entschluss fassen sollte, die Gesamtbedingungen mit einigen Worten dar:
Sandberg stelle den Kulturreformismus perfekt dar, der nach 1945 fast überall in Europa in Verbindung mit der Politik an der Macht war. Diese Leute seien die guten Geschäftsführer der Kultur im bestehenden Rahmen gewesen. So haben sie z.B. ihr Bestes getan, um die jungen kraftlosen Nachahmer der Moderne der zwanziger und dreißiger Jahre zu fördern. Für echte Bahnbrecher haben sie dagegen nichts tun können. Da sie heutzutage durch die Gegenoffensive ungeheuchelter Reaktionäre (vgl. seitdem die Angriffe des belgischen Senats am 10. Mai gegen die offizielle Unterstützung der ‘abstrakten’ Malerei) bedroht werden, versuchen sie, sich in dem Augenblick zu radikalisieren, wo sie zusammenbrechen. Sandberg sei z.B. 2 Tage vorher im Amsterdamer Stadtrat sehr heftig von Christen angegriffen worden, die die Rückkehr der gegenständlichen Kunst erzwingen wollten (vgl. das ‘Algemeen Handelsblad’ vom 4. März). Man könne seine Amtsnachfolge im Stedelijk Museum als eröffnet betrachten. Jorn meinte jedoch, es sei ihm möglich gewesen zu wählen, zu welcher Seite er hinausgehen wollte: wäre Sandberg mit uns ins Labyrinth hinuntergestiegen, hätte er sich mit uns zusammen entweder wiedergefunden oder verloren. Die wirkungslose Suche nach Abfindungen, um seine vergangenen Leistungen zu bewahren, erlaube es ihm nicht, in gute Gesellschaft zu geraten. Sandberg wagte es nicht, mit der Avantgarde zu brechen, er wagte es aber auch nicht, die für eine wirkliche Avantgarde einzig annehmbaren Bedingungen zu sichern.
Nach Jorns Bericht wurde von der Versammlung einstimmig abgelehnt, die S.I. zu verpflichten und diese Ablehnung wurde am 7. März schriftlich bekanntgegeben. Die Versammlung ließ es nur denjenigen unter ihren Mitgliedern frei, die es für nützlich hielten, sich Sandbergs guten Willen individuell zunutze zu machen - was Pinot-Gallizio machte, indem er schon voriges Jahr in Paris gezeigte industrielle Malerei im Juni im Stedelijk-Museum ausstellte.
Das Labyrinth, dessen Entwurf von der holländischen Sektion der S.I. unter der Mithilfe bei einigen Punkten von Debord, Jorn, Wyckaert und Zimmer ausgearbeitet worden war, sieht wie eine Strecke aus, deren Länge theoretisch von 200 Meter bis 3 Kilometer variieren kann. Die manchmal 5m (vgl. den weißen Teil des Plans), manchmal 2,44m (vgl. den grauen Teil) hohe Decke kann bei einigen Stellen auf 1,22 m erniedrigt werden. Seine Einrichtung bezweckt weder irgendeine innere Ausschmückung noch die verkleinerte Wiedergabe städtischer Umgebungen, sondern strebt danach, eine kombinierte, noch nie gesehene Umwelt durch die Verquickung innerer (einer eingerichteten Wohnung) und äußerer (städtischer) Züge zu schaffen. Zu diesem Zweck werden künstlicher Regen oder Nebel und Wind erzeugt. Der Durchgang durch angepasste Wärme- und Lichtzonen, dazwischentretende Klänge (durch eine Tonbandbatterie gesteuerte Geräusche und Worte), sowie durch eine gewisse Anzahl begrifflicher und sonstiger Provokationen wird durch ein System einseitiger (von einer einzigen Seite aus sichtbarer bzw. lenkbarer) Türen, sowie durch die mehr oder minder große Anziehungskraft des Ortes bedingt; durch diesen Durchgang werden also die Gelegenheiten zum Verlaufen vermehrt. Unter den reinen Hemmnissen nennen wir Gallizios Tunnel industrieller Malerei und Wyckaerts zweckentfremdete Zäune.
Dem in diesem konzentrierten Labyrinth organisierten Mikro-Umherschweifen sollte das Umherschweifexperiment in Amsterdam entsprechen. Zwei Gruppen mit je drei Situationisten wären drei Tage lang zu Fuß oder eventuell per Schiff umhergeschweift, ohne das Zentrum von Amsterdam zu verlassen (wobei sie in angetroffenen Hotels geschlafen hätten). Mit Walkie-Talkies ausgerüstet wären sie womöglich untereinander in Fühlung geblieben und auf jeden Fall mit dem Funkwagen der karthographischen Gruppe, aus dem der Leiter des Umherschweifexperiments - im vorliegenden Fall Constant - der herumfahren würde, ohne den Kontakt zu verlieren, ihre Wege aufzeichnen und manchmal Weisungen erteilen würde (dem Leiter des Umherschweifexperiments würden ebenfalls die Vorbereitungen zum Experimentieren mit einigen heimlich eingerichteten Orten und Ereignissen zukommen).
War dieses Umherschweifexperiment mit Vermessungen des Geländes verbunden, die bei den späteren Arbeiten des unitären Urbanismus interpretiert werden sollten, und mochte es durch seine Wirkung auf die Öffentlichkeit etwas theatralisch aussehen, zielte sie doch hauptsächlich auf die Verwirklichung eines neuen Spiels ab. Und die S.I. hatte darauf bestanden, gegen die wirtschaftlichen Gewohnheiten zu verstoßen, indem sie einen Lohn von 50 Gulden pro Kopf und pro Umherschweiftag im Etat der Manifestation bewilligen ließ.
Nur aus der Vereinigung der beiden Operationen konnte ihre Neuartigkeit zutagetreten. Mithin war die S.I. nicht der Meinung, das bloße Umherschweifexperiment, das in Amsterdam aufrechterhalten werden konnte, wäre bedeutsam genug. Es ist gleichfalls nicht wünschenswert, das Labyrinth in dem Museum einer gewissen, zum Umherschweifen ungeeigneten deutschen Stadt zu errichten. Übrigens hatte selbst die Benutzung eines Museums schon etwas Peinliches an sich und die westliche Fassade des Amsterdamer Labyrinths war eine Mauer, die speziell so gebaut sein sollte, dass darein eine Bresche als Eingang geschlagen wird. Dieses Loch in der Mauer war von unserer deutschen Sektion als eine Garantie dafür verlangt worden, dass man sich nicht der Museumsperspektive unterwarf. Folglich hat die S.I. im April einen Entwurf von Wyckaert gebilligt, der den Gebrauch des für Amsterdam ausgearbeiteten Labyrinths beträchtlich modifiziert. Nicht in einem anderen Gebäude soll dieses Labyrinth errichtet werden, sondern mit großer Anpassungsfähigkeit und unter direkter Berücksichtigung der städtischen Wirklichkeiten in einem gut gelegenen unbebauten Gelände der ausgewählten Stadt, damit es zum Ausgangspunkt von Umherschweifexperimenten wird.