Durch ihre Werbekunst, die Überbleibsel jeder partiellen kritischen Schlussfolgerung wiederaufzutischen, wird unsere Epoche die versöhnlichsten Geister darüber belehren, dass diejenigen, die ungefähr dieselben Fragen behandeln und fast dieselben Formeln gebrauchen, deshalb einander nicht ‘nahe’ zu stehen brauchen und genau entgegengesetzte Orientierungen ausdrücken können. Das zeigt wunderbar eine ‘Werbeuntersuchung’ über ‘die Ferienkrankheit’ (die in verschiedenen Publikationen, u.a. ‘Le Nouvel Observateur’ vom 1.4.1965 inseriert wurde). Es handelst sich darum, den ‘Club Méditerranée’ in solchen Worten anzupreisen, die die ‘gebildete’, in den ersten Jahren nur schlecht vertretene Kundschaft anlocken können. Mit dem für die Zeitschrift ‘Planète’ üblichen Stil - “Wir stehen am Rand der Verwandlung”; “man muss hierher kommen, um unsere morgige Zivilisation zu entziffern” - verspricht der Marktschreier, man könne sich dort “in das Denken und die Künste, die Geschichte und die Wissenschaften” einweihen lassen und “aus jeder Geste entstehe Freundschaft” bei dieser ‘Musterorganisation der Freizeit in Europa, dem Laboratorium der Ferien der Zukunft’. Diese Institution ist jedoch rücksichtsvoll genug, um “den Ministern, Gelehrten, Künstlern, Erziehern - sogar den Helden” die Sorge dafür zu überlassen, “eine neue Moral zu schaffen, freiere Sitten zu fördern oder die industrielle Gesellschaft zu reformieren”, denn “ihre Rolle beschränkt sich auf ein Zwölftel des Lebens.”
Eine Organisation der Ferien nimmt die bestehende Organisation der Arbeit zum Ausgangspunkt und bereitet sich darauf vor, die Abfälle dieser Arbeit industriell zu behandeln. Ihre Pseudofreiheit ist die der Spontaneität von Robotern zugedachte Zeit. Wie können sie sich treffen? - Auf der Basis ihrer wesentlichen Entfremdung. Das Prinzip ihres Zwölftes an Freundschaft heißt im Gegensatz zu Montaignes Wort, “weil er es nichts war, weil ich es nicht war.” Aber die Organisatoren der Ferienindustrie kritisieren das Handwerkswesen der ‘konventionellen Ferien’ heftig, indem sie überall sonst eine tatsächliche ‘Nivellierung durch die Mittelmäßigkeit’ entlarven, gegen die sie allein das Heilmittel herstellen: “Heute dringt der Sonntag des Menschen allmählich in die ganze Woche ein: Was wird er aus dieser Freiheit machen? Sich noch mehr Verpflichtungen, Abhängigkeiten und Entfremdung schaffen? Und was wäre, wenn der große Ferienjahrmarkt nur eine Droge, ein neues Opium des Volkes ist?”
So wird eine Gesellschaft zum Verkauf des neuesten Opiums der Armen - der Ware Freiheit - gebildet, die nur auf ihre Integrierung in den Staat wartet: “In keinem Land der Welt gibt es schon eine kohärente Freizeitpolitik.” Alle anderen Sklaven helfen mit, ihr die Kundschaft zu liefern und ihre Werbung merkt sich das wohl: “Dass das städtische Leben, dem gegenüber jeder vor sich selbst die Rolle eines Hüters, Spions und Professors übernommen hat, die Zeit in Scheiben zerteilt hat, um in ihnen die Menschen, deren Herzen und Kräfte zu trennen, könnte man vielleicht noch übersehen…” Dem ‘Club Méditerranée’ stände es schlecht an, das nicht zu übersehen, da er selbst nach einer Konzession für nicht weniger als eine globale ‘Scheibe’ eines Zwölftels dieser Zeit strebt. “Dank der verheißungsvollen Automation und der neuen Betriebspsychologie überlässt die Arbeit der Freizeit von nun an immer mehr Zeit und Raum”. Vor dieser Perspektive erschrecken die Manager nicht, die doch nun wissen, wie sie die Leute noch im Zwischenraum der Arbeit festhalten können, von der sie folglich annehmen können, dass “sie sich sehr entwürdigt hat und sogar zum Zeichen der Frustration geworden ist. Für viele Leute ist sie nur ein notwendiger Alpdruck, ein Alibi, das die Ferien möglich macht… In den überentwickelten Ländern fangen die Gewerkschaften schon an, Zeit statt Geld zu fordern.”
Und für diese Ferien, die so viel Trost und Werte gewähren müssten, bieten die Quacksalber des ‘Club Méditerranée’ schon eine anspruchsvolle Ideologie, die natürlich ein Minimum an Abklatsch der modernen kritischen Theorie in einem kombinatorischen Stil rekuperieren muss. Wenn der Käufer der Ware Freiheit nur die uralte Lust zum Spiel und zur Fete in sich wiederauftauchen ließe, die darin besteht, jedesmal Regeln zu improvisieren, die nur einmal gebraucht werden, würde er die unterbrochene Kommunikation mit dem Anderen wiederherstellen. Wir sprachen oben vom Ferienspiel, das darf aber nicht mit den Kinderspielen verwechselt werden. Es handelt sich um das Spiel, das, wie weit man immer auf die früheren Zivilisationen zurückgreifen mag, die Zeremonien, den Sport, das Theater, den Zirkus, die Phantasie in der Kunst - mit einem Wort: die Intelligenz - erzeugt hat. Dieses Spiel wiederherstellen heißt darum wetten, dass jeder Einzelne, wenn er Unbekannten gegenübersteht, die sich ihm ohne Maske zeigen, aufhören kann, ein misstrauischer oder folgsamer Zuschauer seines eigenen Lebens zu sein, um dagegen zu dessen Gestalter zu werden.”
Das fassen also gewisse Leute im ‘Club Méditerranée’ ins Auge. Wir meinen allerdings etwas ganz anderes, wie wir es bereits ab und zu gesagt haben.