Péret eröffnet die erste Nummer des surrealistischen Bulletins ‘Bief’ mit einem “Die Dichtung über alles” betitelten Angriff gegen die Situationisten, denen er das unsinnige Vorhaben unterstellt, Dichtung und Kunst unter die “Vormundschaft” der Wissenschaft stellen zu wollen.
Pérets konfuse Erklärungen, die bloß durch einen Willen nach antisituationistischer Propaganda motiviert werden, offenbaren schonungslos eine Denkweise des vorigen Jahrhunderts: und zwar eine Unfähigkeit, die aktuellen Probleme zu verstehen, die sogar die unedle Absicht übertrifft, diejenigen zu bekämpfen/die diese aufstellen. “Nie werden die Kernspaltung und ihre Folgen”, schreibt er, “eine neue Art zu fühlen entstehen lassen, genausowenig wie sie eine originale Dichtung erzeugen werden. Das stimmt wohl; aber was will man noch passiv “fühlen”? Und was soll man von einer “originalen Dichtung”, mit oder ohne nukleare Veranlassung, halten? Diese Rhetorik des Vorrangs eines Szientismus vor einer dichterischen Empfindungskraft oder umgekehrt, diese Art Polemik, die damals bei Sully-Prudhomme ausgetragen werden sollte, lassen einen lächeln. Wir wollen nicht den Ausdruck an sich und besonders nicht den der Wissenschaft erneuern - wir wollen das alltägliche Leben spannend machen.
Diesseits davon gibt es keine Poesie mehr. Wir werden weder die poetische Sprache noch die Kunst zusammenflicken, die diese Generation, die doch einmal dadaistisch war, bedingungslos geliebt haben wird. Ihre Jugend ist dahin - und ihre Liebschaften auch, wie es in einem Volkslied heißt.
Welches sind unsere Ziele? Situationen schaffen. Es lässt sich ja nicht bezweifeln, dass Leute von jeher versucht haben, in die Umgebung einiger Momente ihres Lebens direkt einzugreifen. Wir denken bloß, dass die Mittel zu einer quantitativen und qualitativen Ausdehnung solcher Konstruktionen nicht gegeben waren; sie sind isoliert und partiell geblieben. Die Religionen und darin das Kunstspektakel waren die Ablenkungsmittel, die die Unfähigkeit, diese Begierde in die Praxis umzusetzen, beschönigt haben. Das leicht festzustellende, fortschreitende Verschwinden dieser Ablenkungsmittel hält mit der im weitesten Sinne aufzufassenden materiellen Entwicklung der Welt Schritt. Die Konstruktion von Situationen hängt nicht von der Atomenergie und sogar auch nicht von der Automation oder von der sozialen Revolution direkt ab, da Experimente auch bei der Abwesenheit bestimmter Bedingungen - die die Zukunft zweifellos durchsetzen wird - unternommen werden können. Die Verspätung einiger Sektoren bei dem gesamten Vorsprung unserer Zeit macht die Dürre unseres aktuellen Tätigkeitsfeldes aus, indem sie uns der Mittel beraubt, die wir zur Verfügung haben möchten. Wenn die Geschichte aber eine solche Perspektive zum ersten Mal zum Vorschein kommen lässt, scheinen uns geringere Vergnügungen der Betrachtung unwürdig.
Péret ist an den künstlerischen Reichtümern des Gedächtnisses und an der vergeblichen Aufgabe der Erhaltung der Emotionen in künstlerischen Ausdrücken haften geblieben, die zu Gegenständen werden, die andere Leute sammeln.
Péret und seine Freunde sind die Aufsichtsbeamten einer Kunstwelt, die sich abschließt. Sie stehen auf der Seite derer, die diese Welt in den imaginären Museen der Malraux’s als Kondensware verkaufen. Sie stehen auf der Seite derer, die ihre Würde verlängern wollen, indem sie Kühlschränke von modernen Malern verzieren lassen. Dieser Adel ist aber zusammen mit dem alten Regime der Kultur zu Ende gegangen. Sie stehen also nur noch auf der Seite der Erinnerung. Und die Rolle des Traumes, den sie so viel gepriesen haben, besteht in der Erlaubnis, weiter zu schlafen.
Wir sind die Anhänger des Vergessens. Wir werden diese Vergangenheit und diese Gegenwart vergessen, die die unseren sind. Wir betrachten diejenigen, die sich mit zu wenig zufrieden geben, nicht als unsere Zeitgenossen. Der kleine, uns passende Vorsprung wurde durch die Parole recht gut zum Ausdruck gebracht, die unsere belgische Sektion im April 1958 den zur Weltversammlung zusammengekommenen Kunstkritikern an den Kopf warf: “die klassenlose Gesellschaft hat ihre Künstler gefunden.”