Die Krise der Jugend ist in allen modernen Ländern zu einem Thema der offiziellen Besorgnis geworden, das den Leichtgläubigsten dazu führen würde, an den Chancen der Konsumgesellschaft bei ihrem Integrationsversuch zu zweifeln. Bei den Grenzfällen der Bildung von Jugendlichenbanden kann auf den Karten leicht nachgeprüft werden, dass sie den Flächen der ‘großen Wohnsiedlungen’ entsprechen, besonders in relativ rückständigen Ländern wie Frankreich und Italien, in denen der weniger empfundene Eintritt in die Lebensbedingungen des modernen Kapitalismus sehr deutlich empfunden wird, sobald er durch die besondere Komponente des neuen Wohnungstyps vervielfacht wird. Ausgangspunkt für die Bandenbildung ist das unbebaute Gelände, das den letzten im ‘geordneten Raum’ vorhandenen Fluchtpunkt darstellt und als eine notdürftige Darstellung auf einer primitiven, in allem mangelhaften Stufe dieser leeren Zonen der Besetzung betrachtet werden kann, die unser Programm für den unitären Urbanismus durch den aus der Physik entlehnten Begriff des ‘positiven Lochs’ kennzeichnet.
Noch tiefer und sogar außerhalb des äußersten Bandenphänomens erlebt man den totalen Misserfolg des Eingliederungsversuchs der Jugend durch die Gesellschaft. Die Eingliederung im Rahmen der Familie fällt glücklicherweise mit dem früher angenommenen Lebenssinn zusammen, mit dem Verschwinden einer minimalen gemeinsamen Übereinkunft unter den Leuten und um so mehr zwischen den Generationen - da die älteren immer noch an Bruchstücken vergangener Illusionen teilhaben und vor allem durch die Arbeitsroutine, die akzeptierten ‘Verantwortungen’ und die Gewohnheiten, die sich alle auf die eine zurückführen lassen, nichts mehr vom Leben zu erwarten, schläfrig gemacht werden. Die gegenwärtigen Banden kann man als das Produkt einer neuen Art des Zerfalls der Familie mitten im Frieden und im hohen Konsumstatus betrachten, im Vergleich mit den Banden von umherirrenden Kindern im russischen Bürgerkrieg, die sich aufgrund der physischen Zerstörung der Eltern und der Hungersnot gebildet hatten. Die politische Eingliederung ist auf fast nichts reduziert - was dem Schicksal der Gruppierungen der herkömmlichen Politik entspricht. Ein dieses Jahr für eine Studentenkonferenz der PSU verfasstes Dokument über die Jugend stellt fest, dass in Frankreich “die Zeit, in der die Jugendbewegungen die Masse der Jugend mitzogen, jetzt ganz vorbei ist; weniger als zehn Prozent der Jugendlichen gehören diesen verschiedenen Bewegungen an, wobei diese zehn Prozent zum größten Teil Mitglieder von mehr oder weniger offen konfessionellen Organisationen sind.” In dem sehr schwachen Teil der Jugend, der heute noch dem reaktionärsten Konformismus unterworfen wird, der auch der kohärenteste ist, bleibt natürlich das Maximum an Rekrutierungsmöglichkeiten für die Erzieher jeder Art. So wurden z.B. in England die Labour-Bürokraten von dem Snobismuserfolg der Klubs der ‘Konservativen Jugend’ beunruhigt, so dass sie sich jetzt damit beschäftigen, Bälle nach gleichem Muster mit pikfeinen Labour-Leuten zu organisieren. Es versteht sich von selbst, dass das grobe Geschütz der rein kulturellen Eingliederung nicht lange gehalten hat: der Augenblick, in dem die ständige Verlängerung der Schulzeit die meisten Jugendlichen dazu bringt, Zugang zu einer gewissen Menge von Kultur zu haben, ist gleichzeitig der, in dem diese Kultur nicht mehr an sich selbst glaubt und niemanden mehr betrügt oder interessiert.
Die Gesellschaft des Konsums und der Freizeit wird als eine Gesellschaft der leeren Zeit, als Konsum der Leere erlebt. Die Gewalt, die sie erzeugt hat und die die Polizei in vielen amerikanischen Städten schon dazu veranlasst, eine Sperrstunde für alle Jugendlichen unter achtzehn Jahren einzuführen, stellt den Gebrauch des Lebens so radikal in Frage, dass dieser nur durch eine revolutionäre Bewegung erkannt, verteidigt und gerettet werden kann, die ausdrücklich ein Programm von Forderungen über diesen Gebrauch des Lebens in allen Aspekten darlegt.
Es wird immer schwieriger werden, die furchtbare Wirklichkeit der Jugend hinter den armseligen Truppen von Berufsschauspielern zu verstecken, die als ‘beatniks’, ‘angry young men’ oder auf noch süßere Weise als ‘Neue Welle’ die gereinigte Parodie dieser Krise auf der Kulturbühne darstellen. Was vor nur zehn Jahren zu einer ‘Avantgarde’ gehörte, die die ehrlichen Leute z.B. in Saint-Germain-des-Près so sehr empörte (es war aber zu dieser Zeit noch nicht deutlich genug losgelöst von der alten Künstlerbohème - es waren Anti-Künstler, die in Gefahr standen, wieder in die Kultur integriert zu werden), ist heute überall verbreitet. In dem ‘Journal du Dimanche’ vom 14.Mai wird über der sittsamen französischen Provinz die Totenglocke geläutet, nachdem eine Runde Polizisten an zwei junge Männer in Melun geraten sind, “die mitten in der Nacht einen schweren Koffer mit zig gestohlenen Flaschen edlen Weins schleppten… Die beiden Diebe haben gestanden, dass der Wein während einer großen Party in der meist leeren Wohnung der Großmutter eines von ihnen konsumiert werden sollte. Sie gaben weiter zu, dass es bei diesen Parties, an denen nur Jugendliche von 15 bis 18 teilnahmen, sehr ausgezogen vor sich ging. Sie waren sogar so ausschweifend, dass 8 junge Teilnehmer beiderlei Geschlechts aus der Umgebung von Melun wegen Verstoßes gegen die Sitten sowie wegen Diebstahls und Beihilfe angeklagt worden sind. Drei Jugendliche - ein 15 jähriger und ein 17 jähriger Junge und ein 17 jähriges Mädchen - sind verhaftet worden, während die fünf weiteren Angeklagten zeitweilig freigelassen wurden.”
Es ist klar, dass die Situationisten die globale Verweigerung der kleinen Skala der erlaubten Verhalten unterstützen. Die S.I. entstand in starkem Maße aus der sehr tief empfundenen Erfahrung der Leere im alltäglichen Leben und aus der Suche nach deren Aufhebung. Sie kann unmöglich von dieser Linie abweichen, so dass jeder offizielle Erfolg (im sehr breiten Sinn des Wortes - jeder Erfolg in den herrschenden Kulturmechanismen) ihrer Thesen oder eines ihrer Mitglieder für äußerst verdächtig gehalten werden sollte. Da der gesamte Informations- und Strafapparat in den Händen unserer Feinde liegt, wird die Heimlichkeit des Erlebten - das, was unter den aktuellen Bedingungen Skandal genannt wird - nur durch einige Einzelheiten seiner Unterdrückung beleuchtet. Die S.I. hat vor, gewaltsamere und vollständigere Skandale gegen diese Welt zu entfesseln, indem wir aus der heimlichen Freiheit hinausgehen, die sich allen Polizeikräften der mit Klimaanlagen ausgestatteten Leere zum Trotz unter dem prunkvollen gesellschaftlichen Bauwerk der toten Zeit fast überall behauptet. Wir wissen um die möglichen Folgen. Die Ordnung herrscht und regiert nicht.