Die Auflösung der Werte und Formen der alten einseitigen Kunstkommunikation - in den bildenden Künsten wie in allen Aspekten des Sprache - begleitet das, was man undeutlich die ‘Kommunikationskrise’ in der Gesellschaft nennt und was gleichzeitig die monopolisierte Konzentration der einseitigen Kommunikation (deren bloßer technischer Ausdruck die Massenmedien sind) und die Auflösung aller gemeinsamen und mitteilbaren Werte ist. Diese Auflösung wird durch den Vernichtungskrieg erzeugt, der auf dem ökonomischen Gebiet durch den gegen den Gebrauchswert gerichteten Tauschwert erkämpft wurde.
Der revolutionäre Sinn, der die ganze wirkliche moderne Kunst beherrscht hat (und dessen Verlust dieser modernen Kunst ein qualitatives Ende setzt) kann nicht verstanden werden außerhalb einer Perspektive des Kampfes gegen die herrschenden Verhältnisse, d.h. außerhalb des Projekts einer neuen Kommunikation. Die Opfer der verschiedenen Mystifizierungen dieses Projektes - vom Neo-Dadaismus zum Stalino-Sartrismus - erkennen insgesamt die Originalität und die Wiederholung in der modernen geistigen Produktion an, da sie diese nur äußerlich sehen; es fällt ihnen die Verwandtschaft mit der Familie auf. Diese Familie ist aber soviel wie die der Atriden wert. Wenn z.B. Pérec, der Konsument der ‘Dinge’, in ‘Partisans’, der Zeitschrift des ‘offenen Stalinismus’, schreibt, dass “die Krise der Sprache eine Verweigerung der Wirklichkeit ist”, ignoriert er die Wirklichkeit der Verweigerung. Diese “Verweigerung der Wirklichkeit”, die er sich platt in der Form eines die Wirklichkeit ablehnenden Künstlers vorstellt, hat einen ganz anderen Sinn und zwar die Ablehnung des Künstlers durch die Wirklichkeit, die Röntgenaufnahme einer Verweigerung, die durch die sozial hergestellte ‘Wirklichkeit’ den Tendenzen des wirklichen Lebens entgegengesetzt wird. Ist in der modernen Kunst “das Unaussprechliche ein Wert und das Unsagbare ein Dogma” (Pérec), so geschieht das, weil es sich um eine Weit handelt, in der man nichts sagen darf. Diese empörte Feststellung der modernen Kunst wird ohne Empörung und sogar mit Bewunderung durch die Neo-Literatur von Robbe-Grillet und Konsorten wiederaufgenommen. Das ist nur ein Zeichen von vielen anderen des verallgemeinerten Verzichts der kritischen Intelligenz, den der Zusammenbruch der revolutionären Bewegung in den 20er Jahren nach sich zog. So entledigt sich Sartre so gut er kann vor dem Kongress der ‘Europäischen Schriftstellergemeinschaft’ im Oktober 1965 in Rom des für ihn allzu komplizierten Problems der kulturellen Avantgarde, indem er behauptet, diese sei nur in einem entkolonisierten Land denkbar. Und während einer - selbstverständlich schon an der Wurzel gefälschten - ‘Konfrontation’ zwischen Gläubigen und Ungläubigen bei der ‘17.Woche der katholischen Intellektuellen’ (die den ‘Wochen’ des angeblich marxistischen’ Denkens’ des roten Pfaffen Garaudy sehr nahe stehen), die u.a. P.H. Chombart de Lauwe, Ricoeur, Philonenko und Balandier um einen Jesuiten zusammenbrachte, “waren sich alle darin einig anzuerkennen, dass die Geisteswissenschaften im Gegensatz zu dem, was im letzten Jahrhundert geschehen ist, gegenüber dem religiösen Phänomen ihre Grenzen entdeckt haben” (’Le Monde’ vom 16.3.65).
Die industrielle Rekuperierung der künstlerischen Neo-Auflösung wird aber schon in größter Breite organisiert. Indem die ‘op-art’ unmittelbar in die Dekoration und die Bekleidung überging, bringt sie den Augenblick zum Ausdruck, in dem die Kunst, die nur noch eine Mode war, direkt zur Kunst der Mode wird. In ‘EIle’ vom 16.September 1965 kann man z.B. lesen: “Der ‘EIle’-Stil 1966 macht sich den ‘op-art’-Stil zu eigen. Beide waren wie füreinander geschaffen. Der ‘Elle’-Stil ist eine Art, mit seiner Zeit zu leben, sich das Neue, wenn es ernst ist, und das Vernünftige, wenn es ein wenig verrückt ist, zu eigen zu machen… Lassen Sie diesen köstlichen Taumel in Ihr Zuhause eintreten, machen Sie sich die optimistische Op-art zu eigen!”
‘Pop’- und ‘op-art’ sind eigentlich dieselbe ‘Prop-art’, die propagandistische Kunst, die einen dazu nötigt, mit seiner Zeit zu überleben. Eine Maschine namens Abraham Moles tritt überall auf und hofft, dass ihr eine schöpferische Funktion zuerkannt wird, indem sie die Theorie der ‘Schöpfungsmaschinen’ verteidigt. Zum Genuss aller Roboter kann eine kombinatorische Schrift elektronisch das herstellen, was der Poesie, der Skulptur, der Musik, der Malerei - um nur einige Gebiete zu erwähnen - folgen soll. Ihr großes Können konnte man sowohl in der ‘Revue d’ Esthétique’ (Zeitschrift für Ästhetik), Nr.2 1965 bewundern, als auch während einer - zusätzlichen - ‘Woche’ in Bordeaux, bei der es gelungen war “Chaban-Delmas zu überzeugen, sich für die Sache zu interessieren” (’L’ Express’ vom 3.11.65). Und auf Malraux’s letzter - und seiner Meinung nach ‘gelungenster’ - Biennale kamen die Ziele dieser integrierten Rekuperierung des entwerteten Fragments am besten zum Vorschein. Laut der immer wieder unbefangenen und zufriedenen ‘Le Monde’ (30.9.1965) “zeigen diese Konfrontationen von jungen Leuten aus der ganzen Welt, dass die Auffassungen über die Kunst sich auf eine gewisse Art angleichen. Die Franzosen, die Italiener, die Japaner, die Schweizer oder die Türken bieten nichts grundsätzlich Verschiedenes. Es sind dieselben bemalten Formen, dieselben geklebten Fetzen und derselbe zusammengeschweißte Schrott: die aktuelle Kunst ist wirklich international. Eine weitere Feststellung: der Künstler kümmert sich heute nicht nur um das Bild, sondern auch um den Platz der Kunst in der Stadt. Bildhauer, Maler und Architekten haben sich gemeinsam bemüht, diese ‘idealen’ Städte, diese Kirchen und Häuser der Jugend aufzubauen… Wer über über die letzten Momente der jüngsten Kunst auf dem Laufenden gehalten werden will, sollte zur Aveneu du président Wilson gehen.”